Baurecht
Neue Gefahrstoffverordnung in »Sichtweite«
Mit Zustimmung und Entschließung vom 18.10.2024 hat der Bundesrat den Weg für die
Regierungskoalition freigemacht. Soweit sich die Legislative in dieser Sache einig wird, ist eine
Reform der derzeitigen Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) durch Abschluss des »Gesetzes«, wie
es das Bundesministerium für Arbeit und Soziales , zeitnah durch Inkrafttreten zu
erwarten. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens ist offen, auf das genaue Datum des Inkrafttretens
haben der Deutsche Bundestag und Bundesrat keinen Einfluss. [1]
Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) ließ zur Novellierung der
Gefahrstoffverordnung im Rahmen einer Pressemitteilung vom 28.10.2024 [2] verlauten, dass
diese in die richtige Richtung gegangen sei – aber nicht weit genug. So würden Verzögerungen
oder gar Stilllegungen der Bauarbeiten als Risiko entstehen. Jeder involvierte Unternehmer
müsste eine Beprobung durchführen, auch wenn es sich um ein und dieselbe Baumaßnahme
handelt.
Zitat: »Es werden Kosten für den Veranlasser entstehen, Nachtragsforderungen, Streitigkeiten
zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sowie Verzögerungen der Baumaßnahmen sind zu
erwarten.«
Die Anfragen und Unverständnis Bekundungen zur neuen GefStoffV sind exorbitant sprunghaft in
der Deutschen Gesellschaft für Sachverständigenwesen und Streitbeilegung angestiegen.
I. Es bedarf der Einordnung der kolportierten Mitteilungen
Soweit sich vorstehende Pressemitteilung ausschließlich auf Asbest bezieht, ist zunächst
festzustellen, dass Asbest nur ein Gebäudeschadstoff unter vielen ist. In Gebäuden sind, auch
wenn Asbest sicherlich in der Gesellschaft der prägendste Stoff ist, weitere Stoffe vorhanden,
die nicht unter den Tisch fallen dürfen. Die Gefahrstoffverordnung bezieht sich nicht nur auf
Asbest, sondern hat alle Gebäudeschadstoffe im Fokus.
Auszuweisen ist, dass als Veranlasser u.a. Gebäudeeigentümer, Verwaltungen, Unternehmen,
Versicherungen, aber auch Mieter infrage kommen. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar
Umwelt hatte beispielsweise im August 2023 eine Asbest-Charta mit Forderungen aufgestellt.
Konkret wurde ein Fünf-Punkte-Katalog eingefordert. [3]
- Asbest-Gebäudepass und Asbest-Kataster
- Sanierungs- und Abwrack-Prämie für Asbest-Häuser
- Nationaler Asbest-Gipfel von Bund, Ländern und Kommunen
- Informationsoffensive »Asbest auf dem Bau«
- Intensivere staatliche Arbeitsschutzkontrollen
Die Gewerkschaft wies in der Forderung aus, dass es ratsam wäre, den Eigentümern einen
Schadstoffgebäudepass aufzuerlegen. Im europäischen Ausland ist dies in Form eines
Schadstoffkatasters zum Teil bereits vollzogene Pflicht. Frankreich fordert einen verpflichtenden
Schadstoffausweis für Gebäude ein, z.B. beim Verkauf eines Gebäudes.
In Deutschland existiert dahingehend keine Pflicht. Während mit Blick auf den Umweltschutz
und den Energieverbrauch ein Gebäudeenergieausweis verpflichtend vorzulegen ist, ist
bezüglich des Schutzziels gegenüber Gesundheitsgefährdungen in Verbindung mit
Gebäudeschadstoffen kein Nachweis zwingend vorzulegen.
Regelmäßig ergibt sich bei der Kaufberatung bei älteren Gebäuden seitens des Autors der
zwingende Hinweis auf möglicherweise vorhandene Gebäudeschadstoffe. In Ermangelung von
verpflichteten Nachweisen stellt sich bei den Interessenten natürlich die Frage, ob und wenn ja,
in welchem Umfang und damit auch zu welchen Kosten man sich mit dem Erwerb einer älteren
Bestandsimmobilie »problematische Belastungen« einkauft. Selbst wenn die Interessenten
willens sind, im Zuge des Kaufinteresses eine Befundung zu beauftragen und die Kosten hierfür
selbst zu tragen, ist dies diametral sachlich, nüchtern zu den Interessen der Veräußererseite zu
beschreiben.
Dies liegt zum einen in der Tatsache, dass mögliche positive Probenfeststellungen dazu führen,
dass das konkrete Kaufinteresse schwindet oder der erzielbare Verkaufserlös geschmälert wird.
Zum anderen, dass eine Befundung im vermieteten Bereich ebenso wenig gewünscht ist wie
damit zwingend zusammenhängende Eingriffe in die Bausubstanz und damit einhergehende
Zerstörungen an Oberflächen.
Ebenso ist zu berücksichtigen, dass die Erkenntnisse aus der Probenentnahme und damit
verbundene Ergebnisse dann auch neuen Kaufinteressenten – über den konkreten
veranlassenden Interessenten hinaus – zu offerieren wären. Ein Weglassen von Angaben zu
belasteten Bauteilen wäre ein arglistiges Verschweigen und kann im Fall der Fälle bis hin zur
Rückabwicklung des Immobilienkaufs sowie zu Schadenersatzforderungen führen.
Insofern wäre natürlich aus Sicht der Gebäudeeigentümer eine Pflicht zur Erstellung eines
Gebäudeschadstoffkatasters mit erheblichen Risiken verbunden. Mit Bezug auf eine Immobilie
ist auch der Umfang eines derartigen Katasters so zu bemessen, dass eine wertige Aussagekraft
entsteht.
Diesbezüglich ist eine »scheibchenweise« Vorgehensweise einer Untersuchung sicherlich als
verhältnismäßig anzusehen, wenngleich fraglich ist, wie alle Informationen irgendwann zu
einem großen Ganzen zusammenzuführen sind. Hat man vor Augen, dass vor jeder
Renovierung / Sanierung eines Raums, eine Befundung vorgenommen wird, wird man im
Ergebnis zu einem voll umfassenden Schadstoffkataster früher oder später gelangen können.
II. Gebot der Stunde
Eine Veränderung der Gefahrstoffverordnung ist aus objektiven Gesichtspunkten geboten. Die
Beibehaltung der bestehenden Gefahrstoffverordnung und bisherigen Regelungen wurden
geprüft. Dies war jedoch keine Option, getreu dem Motto »es muss sich etwas ändern«.
Wesentliches Ziel der Änderung ist es, eine verbesserte Prävention von berufsbedingten
Krebserkrankungen zu erzielen.
Ein honoriges, nicht diskutables Schutzziel für alle Bauschaffenden. Ebenso war es ausweislich
der Unterrichtung des Bundesrats zur Verordnung ein Anliegen der Bundesländer, »die
Vorschriften eindeutiger und besser vollziehbar zu gestalten«. Der gewissenhafte aufmerksame
Leser unterscheidet hierbei zwischen den Begriffen »vollziehbar« und »nachvollziehbar«. [4]
Als sicher ist zu erachten, dass von einem erheblichen Umfang unsachgemäßen und
unwissentlichen Umgangs mit asbesthaltigen Bauteilen beim Bauen im Bestand auszugehen ist.
Die Drucksache 403/24 führt dies wortwörtlich an und der verständige Leser geht davon aus,
dass die notwendige Veränderung nur das Ziel haben kann, dem unsachgemäßen und
unwissentlichen Umgang mit asbesthaltigen und sonstigen belasteten Bauteilen entschieden
entgegenzutreten und diesem nicht hinzunehmenden Umstand Einhalt zu gebieten. Dies steht
in der Verantwortung unserer gesamten Gesellschaft und eint die Interessen von Eigentümern,
Unternehmen, Mitarbeitenden usw.
Bedenkt man 16.000 asbestbedingte Tote und 30.000 anerkannte Berufs erkrankte aus dem
vergangenen Jahrzehnt (s. Fn. 5), wird deutlich, dass die Gefahren bei Arbeiten am Baubestand
in Verbindung mit Schadstoffen tödlich enden können. Im Vergleich zu 1.837 Menschen [5], die
im Jahr 2024 im Straßenverkehr getötet wurden, wird auch ersichtlich, dass es sich nicht um
eine »harmlose« Restrisikobetrachtung handeln kann.
Quelle: www.bausv.online,Hans-Peter Füg
